Interview
Ein Interview. Na sowas. Ich werde zwar gelegentlich zu meinen Büchern befragt, ich durfte dann und wann eine Widmung kritzeln und habe auch schon Lesungen hinter mir. Aber ein Interview, Moment, da muss ich überlegen. Nein, das hatte ich bislang nicht. Jedenfalls nicht in dieser Form. Aber es geschehen einem halt von Zeit zu Zeit Dinge, die man noch nicht kennt, denen man zum ersten Mal begegnet und an die man sich völlig erfahrungslos heranwagen muss.
Darüber schreibe ich übrigens auch gern. Meine Protagonisten können davon ein Lied singen. Bestimmt verfluchen sie mich manchmal deswegen. Zum Beispiel Sarah, die sich mit einer ganz besonderen Neigung konfrontiert sieht und nach einiger Zeit sogar in einen Teich voller hungriger Krokodile springen muss, um schwimmen zu lernen. Ich habe es ihr wahrlich nicht leicht gemacht, das gebe ich zu. Aber Lia erging es auch nicht besser, als man sie splitternackt über einen mit Obstschalen gedeckten Tisch trieb. Ganz ehrlich, wie würden Sie damit umgehen?
Nackt, ja, ich sagte nackt. In meinen Romanen sind Protagonisten auch mal unbekleidet. Das liegt nicht daran, dass sie gelegentlich schlafen gehen – was übrigens in etwa fünfundneunzig Prozent aller Geschichten nie erwähnt wird, wussten Sie das? Grund ist vielmehr, dass sich die Protagonisten meiner letzten drei Romane mit BDSM konfrontiert sahen. BDSM sagte ich, ja. Diese Sache mit Lust und Schmerz, Sie wissen schon.
Wie, jetzt denken Sie an einen speziellen Film? Vergessen Sie den. Was sagte ein Leser in einer Rezension zu »Unverglüht«: »Für alle, die wissen wollen, was es mit liebender Unterwerfung und fürsorglicher Dominanz auf sich hat und denen ›Shades Of Grey‹ wie ein Leitfaden für Dummies erscheint.« Darüber habe ich mich gefreut. Das adelt. Denn ich mag keine Klischees und schreibe vorzugsweise über Themen, in denen ich mich auskenne.
Nein, BDSM war nicht der Grund, aus dem ich zum Autor wurde. Gedichtet und geschrieben habe ich lange vor meinem ersten Roman. Bereits als Kind. Ja, tatsächlich. Ich besitze noch Geschichten, die ich vor über dreißig Jahren kritzelte, soll ich sie mal rausholen … nein? Gut, dann nicht. So müssen Sie mir ungesehen glauben, dass ich es schon immer mochte, spannende Handlungen zu erfinden, nicht alltägliche Figuren zu erschaffen und sie anschließend aufeinander loszulassen. Ich gestehe, dass ich beim Schreiben mitunter selbst überrascht bin, welche Wendungen solche Experimente erfahren. Das führte leider auch dazu, dass ich einst einen Roman mit vierhundert Sachen – also, Seiten – vor die Wand gesetzt habe. Der Trümmerhaufen hat mich gelehrt, später besser zu planen.
Und trotzdem entstand mein erster veröffentlichter Roman »Unverglüht« unerwartet aus einer Kurzgeschichte heraus. Die entwickelte eine aufregende Eigendynamik und führte schließlich zu Ereignissen, die weder ich noch einer der Protagonisten vorhersehen wollten. Aber es blieb kein Trümmerhaufen. Sondern »Ein Buch zum Gänsehautkriegen, ganz große Leseempfehlung«, wie ein Printmagazin es beschrieb. Das war schon verrückt, meinen Roman in Ladenregalen stehen zu sehen. Im Alter von sieben Jahren hatte ich begonnen, zu schreiben. Nach über dreißig Jahren konnte ich es endlich gut genug.
Nein, das stimmt so nicht. Bereits im Jahr 2001 habe ich eine Internet-Plattform für Literatur zum Thema BDSM gegründet, und zwar die »Schattenzeilen«, kennen Sie die? Dort veröffentlichen seitdem viele Autorinnen und Autoren gute erotische Geschichten. Ich beteilige mich natürlich ebenso und werde gelesen.
Darauf lege ich übrigens Wert, dass es gute Geschichten sind. Ich mag das Spiel mit Worten und schönen Formulierungen, und ich liebe es, wenn Autoren fähig sind, lebhafte, faszinierende Bilder entstehen zu lassen. Man sagt mir nach, ich hätte einen dichten Erzählstil, und ich bin mit diesem Urteil zufrieden. Ich kann Protagonisten ein Buch lang in einen einzigen Raum sperren, ohne dass es ihnen und dem Leser langweilig wird dabei. Am Ende finden die Zuschauer aus der Handlung wie aus einem Kino, um noch Tage später an die Momente zu denken, in denen sie Gänsehaut hatten. Das bereitet mir Vergnügen. Und zwar »auf sprachlich hohem Niveau«, wie ein Magazin anlässlich einer Vorstellung des Romans »Aufgewühlt« urteilte. Der war übrigens die erste Fortsetzung meines Debütromans. Weil ich die Figuren in ihm so liebgewonnen hatte. Weil ich sie einfach nicht allein lassen konnte. Und weil Andere sich so oft nach ihnen erkundigten.
Wussten Sie, dass ich als Autor eine richtig enge Bindung eingehe mit meinen Protagonisten? Ich liebe sie, manchmal hasse ich sie auch, ich durchlebe mit ihnen Unerwartetes und leide mit ihnen, wenn sie in der Klemme stecken. Oder im Korsett. Ich stand leise hinter Lia, als sie gegen ein Fenster gelehnt so fest eingeschnürt wurde, dass ihr die Luft wegblieb. Ich beobachtete sie fasziniert, als das Licht des Leuchtturms die Haut ihrer Arme streifte, die über dem Kopf gefesselt waren. Glauben Sie nur nicht, ich sei nie dabei gewesen. Mir schmerzte der Rücken, nachdem ich die Szene geschrieben hatte, in der sie Bekanntschaft mit der Peitsche machte. In solchen Fällen hilft es, dass meine Muse nicht nur inspirieren, sondern auch massieren kann.
Muse, ja richtig. Mit ihr gemeinsam habe ich manchen Weg meiner Protagonisten gefunden, gezeichnet und geebnet. Ich mag keine Ablenkung beim Schreiben, ich suche Ruhe, am besten Abgeschiedenheit an einem spannenden oder idyllischen Ort. Aber ich liebe es, mit meiner Muse zu besprechen, was in den Geschichten und darüber hinaus passiert ist, während ein Roman entsteht. Falls jemand meine Muse kennenlernen möchte, der findet sie unter devana.de. Sie schreibt übrigens selbst auch, ihr Buch mit Weihnachtsgeschichten ist ein schönes Geschenk. Vornehmlich zu Weihnachten. Das aber nur am Rande.
Testleser dagegen meide ich in der Zeit des Schreibprozesses. Aus Sorge, dass sie mich ausbremsen, Ruhe, Stil und Schreibfluss stören. Ich lese nicht einmal Bücher unterdessen, möchte keinen Einfluss von außen riskieren, in mein fein gesponnenes Netz aus Handlung und Worten nicht unbewusst falsche Maschen aufnehmen. Und ich knüpfe sorgsam. Manchmal stundenlang an einem Absatz, nur, weil mir ein einzelner Wortknoten in ihm nicht gefällt.
Bisher am längsten gearbeitet habe ich an meinem Roman »Angefühlt«. Ich glaube, es dauerte ein ganzes Jahr, bis er mir gefiel. Er schließt die Trilogie ab und natürlich verrate ich hier nicht, ob ich Sarah aus dem Krokodilteich geholfen habe. Das kann jeder selbst nachlesen und werten. Denn die Romane gibt es als eBook und als Printausgabe beim Buchhändler. Oder direkt beim Verlag »elysion-books«.
Nach dem dritten Roman brauchte ich einige Zeit, um mich von der Handlung und den nahestehenden Figuren gedanklich zu verabschieden. Aber es ist mir gelungen. Mittlerweile wachsen zwei neue Projekte auf meinem Schreibtisch, eines davon ist eine Komödie, das andere eine spannungsgeladene Spielwiese für zwei Protagonisten, denen ich noch Gelegenheit lassen möchte, sich zu entwickeln und in eine Handlung zu verstricken. Manchmal muss man als Autor auch Experimente wagen und mutig sein.
Apropos mutig. Meine erste Lesung, auf der ich den Roman »Unverglüht« vorstellte, war eine aufregende Erfahrung. Ja, es erfordert Mut, sich vor Publikum zu positionieren und vorzulesen, während man versucht, den Kopf auszuschalten und nicht darüber nachzudenken, wie das Gelesene im Raum widerhallt. Als Belohnung finde ich aber Kontakt zu Lesern, lerne sie und manchmal auch ihre Geschichten kennen, die nicht selten Gemeinsames haben mit dem, was ich geschrieben habe. Daher freue ich mich immer, wenn man mich um eine Lesung bittet, egal, ob sie in einem Saal, einem Club oder gar Wohnzimmer stattfindet. Fragen Sie ruhig, wenn Sie mich und Lia kennenlernen wollen. So viele Gelegenheiten gibt es nicht. Vielleicht besuche ich in Zukunft die eine oder andere Buchmesse, aber dort sind Ihre Chancen naturgemäß geringer als im kleinen Kreis.
Wissen Sie eigentlich, was es für Zeit kostet, überall präsent zu sein? Dabei habe ich doch gleichzeitig so viele andere Dinge vor. Ich möchte schreiben, mehrere Romane noch, wünsche mir Lesungen auch auf großen Bühnen, will ausreichend Zeit haben für den Betrieb der Literaturplattform »Schattenzeilen« – das jedenfalls sind die großen Projekte, die mir am Herzen liegen. Aber, glauben Sie mir, Autoren sind auch nur Menschen. Daher möchte ich vor allem leben und lieben mit meiner Muse, etwas mehr von der Welt sehen als bisher und es genießen, dass es eine Geschichte gibt, die so viel mehr ist als nur ein Roman.
Und wenn Sie jetzt noch Fragen haben oder mich auf eine Lesung einladen möchten, dann sprechen Sie mich später darauf an. Oder hier. Ich jedenfalls muss gerade dringend schreiben gehen.